📒 Zusammenfassung und Notizen
Vorwort
Joe Miller hat die Entwicklung des BioNTech-Impfstoffes von Anfang an verfolgt – seit Anfang 2020, bevor Covid-19 zur Pandemie wurde. Er ist Journalist und stand die ganze Zeit über direkt mit Uğur Şahin, dem CEO von BioNTech in Kontakt.
Prolog: Das Wunder von Coventry
Es ist eine kalter Dezembermorgen in der Uniklinik im englischen Coventry. Die 90-jährige Maggie Keenan bekommt die erste, die mit dem frisch zugelassenen Impfstoff gegen das SARS Cov-19 geimpft wird. Neun Monate nach Beginn der Pandemie, halb so lange wie es im besten Fall von der WHO prognostiziert wurde. Grund für diese Erfolgsgeschichte: Ein türkisches Migrantenehepaar in Mainz.
Kapitel 1: Der Ausbruch
Während der Rest der Welt noch vom weit entfernten, neuen Virus in China spricht, realisiert Uğur Şahin, dass es sich bei SARS-CoV-2 nicht um eine weitere, kleine Epidemie wie MERS und SARS-COV-1 handeln wird, sondern eine globale Pandemie bevorsteht. Zu diesem Zeitpunkt war alles unbekannt, nicht einmal ob das neue Coronavirus überhaupt durch einen Impfstoff gebändigt werden kann. Zudem war noch kein Impfstoff gegen ein Coronavirus jemals entwickelt worden, die Informationslage war dürftig. Şahin sieht bereits nachdem nur 3 Fälle in Europa bekannt sind Schulschließungen voraus und beginnt mit der Entwicklung eines Vakzins.
Özlem Türeci und Uğur Şahin kommen aus einem ähnlichen Hintergrund. Beide haben türkische Eltern und kommen schon als Kinder mit der Medizin in Kontakt, beide wollen Ärzte werden. Uğur Şahin versorgt sich über wissenschaftliche Bücher und Fernsehsendungen mit Wissen, Özlem Türeci begleitet ihren Vater, einen Arzt in einem ländlichen Krankenhaus, bei seiner Arbeit. Beide werden exzellente Schüler und entscheiden sich dafür, Medizin zu studieren. 1991 lernen sich die beiden am Uniklinikum in Homburg kennen. Auf der Onko-Hämatologie-Station, wo todkranke Krebspatienten versorgt werden, bemerken Sie ihren geteilten Wunsch, diese Krankheit zu besiegen.
Mit dem Ziel, den Krebs zu besiegen gründeten sie 2001 Ganymed Pharmaceuticals, das 2016 für 1,4 Milliarden Dollar an Astellas Pharma verkauft wurde. Seit 2008 sind die beiden Teil von BioNTech. Nach Gesprächen mit Bill Gates erweiterte das Unternehmen seine Infektionskrankheitensparte um im Falle einer Pandemie schnell handeln zu können.
Als es dann soweit kommt, sieht Şahin die Pandemie kommen und beginnt trotz aller Ungewissheit mit der Entwicklung des Impfstoffes noch bevor der erste Fall in Deutschland entdeckt wurde.
Kapitel 2: Projekt Lightspeed
Für Şahin war eines klar: Es kommt auf die Geschwindigkeit an. Daher war es die Strategie, 8 Impfstoffkandidaten parallel zu entwickteln und zu testen, um so den Impfstoff in Rekordzeit herzustellen. Außerdem wurde mit der Vorbereitung der Humanstudien begonnen noch bevor die Nagetierstudien durchgeführt wurden. Nachdem das Unternehmen keine Verkauffsstruktur hatte, griff BioNTech auf den Kontakt zu Pfizer zurück, um den Impfstoff zu vermarkten. Trotz einer Absage von Pfizer begann BioNTech mit der Entwicklung des Impfstoffs.
Die nächste Hürde war die Zulassung der Studien für den Impfstoff. Dafür musste BioNTech eine Strategie vorstellen. Problem war, dass die Lipid-Nanopartikel, die dafür sorgen, dass die mRNA unbeschädigt in die gewünschten Zellen eindringt, von einem Wiener Unternehmen stammten, und Şahin fürchtete, dass ein Reisestopp einen Austausch von Waren verhindern würde. Anfangs waren die Toxikologen des PEI skeptisch, über die gewünschte Verkürzung bzw. Parallelschaltung der Klinischen Human- und Tierstudien. Als Problem sahen sie nicht mangelnde Sicherheit, sondern mangelnde Opportunität, das PEI glaubte, die Pandemie auch ohne Impfstoff unter kontrolle bekommen zu können. Nachdem die Parallelschaltung nich zugelassen wurde, begann BioNTech mit dem Antrag für die Toxicologiestudien.
Kapitel 3: Die Unwägbarkeiten
Als Şahin am 13. Februar 2020 bei der Mitarbeitervollversammlung des Unternehmens das Projekt Lightspeed ankündigt ist die Lage ungewiss: Kann ein Impfstoff überhaupt gegen Covid-19 schützen, oder mutiert das Virus, ähnlich wie bei HIV oder Hepatitis C, zu schnell? Kann ein mRNA Impfstoff funktionieren? Andere Studien hatten gezeigt, dass ein Impfstoff unter Umständen sogar mehr Schaden anrichtet, als er hilft.
Bekannt war, dass das Spike-Protein vom Körper als Achillesferse des Virus erkannt wurde und somit als optimales Ziel für einen Impfstoff funktionierte. Es musste also eine exakte RNA vom Spikeprotein des Coronavirus repliziert werden. Das Problem dabei ist, dass das Spikeprotein ohne den Rest des Virus nicht formstabil ist, also musste die mRNA leicht abgeändert werden. Şahin fand in seinen Recherchen den Wissenschaftler Barney Graham, der sich auf genau dieses Gebiet spezialisiert hatte. Dieser half BioNTech mit seiner expertise weiter, obwohl er auch mit der amerikanischen mRNA-Firma Moderna zusammenarbeitete. Während Moderna sich darauf fokussierte, das ganze Spike-Protein darzustellen, experimentierte BioNTech zusätzlich damit, einzelne Teile des Spike-Proteins darzustellen.
Nach einem Gespräch mit einem chinesischen Pharmakonzern in Wuhan, wurde die erste klinische Studie in die wege geleitet, noch ehe die WHO Covid-19 zur Pandemie erklärte.
Kapitel 4: Die Biohacker
Nach ersten Berührungspunkten mit der mRNA-Technologie bekame das Paar 1999 eine eigene Forschungsgruppe in Mainz. Viele noch heute genutzte Technologien wurden damals entwickelt. Ein Ziel war es, die Wirksamkeit von mRNA-Impfstoffen zu erhöhen, idem die dendritischen Zellen (Nach ersten Berührungspunkten mit der mRNA-Technologie bekame das Paar 1999 eine eigene Forschungsgruppe in Mainz. Viele noch heute genutzte Technologien wurden damals entwickelt. Ein Ziel war es, die Wirksamkeit von mRNA-Impfstoffen zu erhöhen, indem die dendritischen Zellen (≙ Generäle des Immunsystems). Nachdem dies erfolgreich gelang, gewann das Team ein Fördergeld in Höhe von sechs Millionen Euro, unter der Bedingung, ein Unternehmen zu gründen. Der Grundstein für BioNTech war gelegt.
Nachdem 2006 erste vielversprechende Ergebnisse für Krebstherapien am Menschen gefunden wurden, bei denen die mRNA direkt in die Lymphknoten injiziert wurde, versuchte das Team einen weg zu finden, die mRNA im ganzen Körper zu verteilen und eine Immunantwort auszulösen, ohne dass die RNA vorher abgebaut wurde. Auch diese klinischen Studien verliefen erfolgreich.
Kapitel 5: Testphase
Anfang 2020 bestand das Team von BioNTech, das sich explizit auf Infektionskrankheiten spezialisierte aus nur 15 Personen. Viele andere arbeiteten allerdings an Technologien, die auch für den Covid-19-Impfstoff verwendet werden würden. Die zwanzig Impfstoffkandidaten sollten nun gegen einander antreten. Zuerst „in vitro“, dann mit Mäusen. Durch einen Zufall konnte ein Mitarbeiter von BioNTech einen Test entwickeln, der die Arbeit mit aktiven Coronaviren ersetzen konnte. So konnte die Entwicklung des Impfstoffes erheblich schneller fortgesetzte werden.
Kapitel 6: Allianzen schmieden
Damit sich die Investitionen in den Impfstoff finanziell lohnen, musste BioNTech unter den ersten drei verfügbaren Impfstoffen sein. Die konnte ohne einen Partner, der bereits mit Produktion und Lieferung von Medikamenten Erfahrung hat, nicht gelingen. Da bereits eine Partnerschaft mit Pfizer bestand, war es naheliegend dort anzuknüpfen.
Ganymed, das erste Unternehmen von Özlem und Uğur, wurde 2001 mit einem Startkapital von 7 Millionen D-Mark gestartet. Nachdem der Seed-Investor aussteigen wollte, sollte das Unternehmen 2007 von zwei Münchner Unternehmern, den Strüngmann-Zwillingen, gerettet werden. Diese waren allerdings viel mehr an einem neuen Projekt der beiden interessiert, dem Projekt NT (New Technologies), für das sie 150 Millionen Euro zur Verfügung stellten. BioNTech war geboren. Über die Jahre hinweg verdoppelten die Strüngmann’s ihr Investment auf 300 Millionen Euro. 2016 wurde Ganymed für rund 1,2 Milliarden Euro an das japanische Astrellas verkauft.
Nach vielen vergeblichen Versuchen, Investoren von BioNTech zu überzeugen, wurden 2017 in der Serie A insgesamt 270 Millionen Euro eingebracht. Im Juli 2018 wurde eine erste Partnerschaft zur Entwicklung eines Influenze-Grippeimpfstoffes mit Pfizer gestartet. Im Sommer 2019 ging BioNTech an die Börse, die Ergebnisse ließen jedoch zu wünschen übrig.
Auch wenn BioNTech Anfangs von Pfizer abgewiesen wurde, setzten die Mainzer weiter ihre Hoffnung auf Pfizer. Nachdem 3000 Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 bestätigt wurden, war Pfizer bereit auf Projekt Lightspeed aufzuspringen. Gleichzeitig arbeitete BioNTech mit dem chinesischen unternermen Fosun zusammen, um auch in China klinische Studien durchführen zu können. Nachdem ein Vertrag zur Partnerschaft zwischen Pfizer und BioNTech innerhalb von zweit Tagen aufgesetzt wurde, gaben die Firmen ihre Partnerschaft öffentlich bekannt. Sofort begannen Belästigungen gegen die Firma und ihre Gründer und Verschwörungsmythen wurden verbreitet. Um die entgültige Ausarbeitung der Partnerschaft wurde hart gerungen, durch Zugeständnisse von Şahin persönlich konnte nach nur 21 Tagen eine Einigung erreicht werden.
Kapitel 7: Die erste Studie am Menschen
Um die Impfstoffentwicklung zu beschleunigen, wurden die Phase I studien am Menschen begonnen, noch ehe die toxikologischen Untersuchungen an den Nagetieren abgeschlossen waren. Es musste lediglich nachgewiesen werden, dass die Nager unversehrt sind. Die toxikologischen Studien wurden jedoch im vollen Umfang zuende geführt, nur eben parallel und nicht vor der Phase I Studie. Freiwillige zu finden war keine Schwierigkeit. Nach einem Aufruf auf Facebook meldeten sich alleine am ersten Tag über 1000 Freiwillige. Damit sie schnell genug vorankamen, musste die Zahl der Impfstoffkadidaten von den ursprünglichen 20 veringert werden. Ausgewählt wurden ein uRNA-basierter Kandidat, zwei modRNA-Kandidaten und ein saRNA-Kandidat. Nachdem die Kandidaten eigentlich schon in Produktion waren, stellte sich heraus, dass ein leicht veränderter modRNA Kandidat vielversprechender war. Kurzerhand wurden die Pläne geändert und dieser verwendet. Zufälliger weise begann die Phase I studie des BioNTech-Impfstoffes am gleichen Tag wie die von Astra-Zeneca, jedoch wenige stunden früher. Nach den ersten Proben wurde klar, dass eine weitaus geringere Dosis benötigt wurde, als zuerst angenommen. Daher könnte BioNTech viel mehr Impfstoff in der gleichen Zeit herstellen, als gedacht.
Kapitel 8: Auf sich allein gestellt
Da es keine Unternehmen mit der nötigen Expertise für die Herstellung des Impfstoffes gab, musste BioNTech selbst Hand anlegen. Die Beschaffungskosten für das Material waren so immens hoch, dass die Geldreserven des Unternehmens bald fast aufgebraucht waren. Durch Finanzspritzen von der EU konnte sich das Unternehmen über Wasser halten. Am 20. Juli wurde der erste Vertrag mit Unterzeichnet – Das vereinigte Königreich würde 30 Millionen Dosen des Impfstoffes kaufen.
Am 27. Juli 2020 begann in Deutschland und den USA die Phase-III-Studie mit 30 000 freiwilligen Probanden. Nachdem die Infektionszahlen in Europe und den USA so niedrig waren, wurden die Studien auf Länder wie Brasilien, Argentinien, Südafrika und die Türkei ausgeweitet um verlässliche Daten zu erhalten. Die Trump-Regierung drängte darauf, den Impfstoff schneller zu zu lassen, aber Pfizer blieb stur. So warteten sie ab, bis unter den Studienteilnehmern 62 Covid-19-Fälle auftraten.
Kapitel 9: Es funktioniert!
94 der 43.538 Probanden waren positiv auf das Coronavirus getestet worden. 90 davon hatten das Placebo injiziert bekommen und nur vier zwei Dosen des Impfstoffes. Der Impfstoff funktionierte noch besser als erwartet. Nach und nach wurde der Impstoff im VK, dann den USA und schließlich, am 21. Dezember 2020 auch in der EU zugelassen. Doch damit war die Arbeit nicht getan: Die neue Herausforderung war es nun, die Produktion zum laufen zu kriegen. Besonders die Herstellung der Lipid-Nanopartikel war nicht schnell genug.
Kapitel 10: Die neue Normalität
Nach den ersten Erfolgen des Impfstoffes wurden Uğur Şahin und Özlem Türeci mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordends der BRD ausgezeichnet. Trotzdem versuchen sie sich politisch neutral zu halten.
Um in zukünftigen Pandemien noch schneller reagiern zu können, gibt es den Versuch, Medikamentenplattformen anstelle einzelner Medikamente zuzulassen. Im Falle eines neuen Erregers könnte die Sequenz des neuen Virus in das Gerüst des zugelassenen Impfstoffes eingesetzt werden und so noch schneller zur Verfügung stehen. Nun gibt es Grund zur Hoffnung, auch andere Krankheiten mithilfe der mRNA zu besiegen.